Fachärztemangel mit Folgen für Patientinnen
Anästhesisten wehren sich gegen Aufspaltung des Faches
Vom 22. bis 24. November 2018 findet in Villach die Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) statt. Die Tagung steht dabei unter dem Motto „Zurück zum Ursprung“. Prim. Univ.- Prof. Dr. Rudolf Likar, Präsident der ÖGARI und Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, sagt über die Bedeutung des Mottos:
„Das Motto dieser Jahrestagung ist deshalb ‚Zurück zum Ursprung’, weil unser Fach in den vergangenen Jahren eine spannende Entwicklung erlebt. Ursprünglich war es die Aufgabe sichere Narkose bei Operationen zu machen, dann ist die Intensivmedizin als Zwilling der Anästhesiologie hinzugekommen. Dabei geht es darum die Vitalfunktionen der Patienten zu überwachen, zu erhalten. Mittlerweile haben wir viele weiter Tätigkeiten übernommen. Dass heißt, die Notfallmedizin, die Schmerzmedizin, die Palliativmedizin. Das heißt, wir decken hier vieles ab und haben uns in vielen Beriechen in letzter Zeit spezialisiert. Der Grund warum wir sagen unsere Jahrestagung soll ‚Zurück zum Ursprung’ heißen: Weil wir der Aufspaltung unseres Faches entgegen wirken müssen. Es soll nicht sein, dass in Zukunft Intensivmedizin von der Anästhesie getrennt ist. Wir wollen keine Aufspaltung, denn die Bereiche die wir betreuen ergänzen sich und das ist gelebte Praxis. Wir sind tätig in der Notfallmedizin, im Schockraum, im OP, perioperativ. Wir sind tätig in der Intensivstation und perioperativ in der Schmerztherapie und wenn Menschen schwer krank sind, in der Palliativmedizin. Dass heißt, diese Expertise und darauf sind wir auch stolz, ist in unserem Fach gebündelt.“
In Folge dieser Ausweitung des Tätigkeitsbereichs von Anästhesisten und Anästhesistinnen hat sich die Zahl dieser in den vergangen 20 Jahren auf 3.000 Fachärzte verdoppelt. Trotz diese Anstiegs an AnästhesistInnen droht in den kommenden Jahren ein Fachärztemangel in diesem Bereich. Grund dafür ist neben dem stätig wachsenden Aufgabenbereich, die Umsetzung des Krankenanstalt-Arbeitszeiten-Gesetz von 2015, sowie eine bevorstehende Pensionierungswelle und zu wenige nachrückende ÄrztInnen. Prim. Priv-Doz. Dr. Achim von Goedecke, Stellvertreter Anästhesiologie im ÖGARI-Vorstand, warnt vor den Folgen eines Anästhesistenmangels:
„Es würde dazu führen, dass die Operationstermine nicht eingehalten werden können oder keine neuen vergeben werden können. Die Wartezeit auf geplante Operationen würden sich verlängern. Es käme zu einem Engpass in der postoperativen Betreuung, in den Überwachungs- und Intensivstationen. Die Spezialangebote, wie die chronische Schmerztherapie, müssten zurückgefahren werden und die Notarztversorgung würde unter dem Mangel an Anästhesisten besonders leiden. Um das zu verdeutlichen: Der Winter steht vor der Türe. Die meisten Notarzthubschrauber, die ja vor allem im Winter aktiv sind, sind fast ausnahmslos mit Anästhesisten, mit Anästhesistinnen als Notärzte besetzt. Auch dort wäre ein Mangel absehbar.“
Einher mit der bevorstehenden Jahrestagung publiziert die ÖGARI auch ein „Manifest für menschliche Medizin“. Die ÖGARI fordert darin, die menschliche Komponente im Krankenhausalltag nicht zu unterschätzen. Dr. Likar warnt daher vor Einsparungen im Gesundheitsbereich:
„Was macht die sogenannte ethische DNA der Anästhesie und Intensivmedizin aus? Wofür stehen wir? Ich halte es wirklich für wichtig, dass man diese Themen thematisiert und wir uns dazu auch festlegen. Es ist an der Zeit für eine neue Wertediskussion, denn medizinisch ist mehr möglich denn je, technisch können wir heutzutage auch viel tun, der demographische Wandel bringt einen gesteigerten Versorgungsbedarf und innovative Methoden haben auch ihren Preis. Gleichzeitig und das ist das Problem, stehen gesundheitsökonomisch und politisch viele Zeichen auf Sparen und auf Effizienzsteigerung. Deshalb haben wir auch dieses Ethik-Manifest verabschiedet, dass sich für eine menschliche Medizin stark macht. Es ist unser Versprechen an unsere Patienten und Paientinnen ihr Wohl und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen. Kolleginnen und Kollegen andere Fächer laden wir ein, dass sie sich unserer Vorreiterrolle anschließen. Gleichzeitig appellieren wir auch an die gesundheitspolitischen Verantwortungs- und Entscheidungsträger für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen.“ ( Datei downloaden)