AKOÖ präsentiert Arbeitsklima Index
300.000 ÖsterreicherInnen kommen mit ihrem Einkommen nicht aus
Fast 300.000 Berufstätige in Österreich kommen mit ihrem Einkommen nicht aus - das entspricht rund sieben Prozent aller Beschäftigten. Dazu kommen 43 Prozent, die sagen ihr Lohn oder Gehalt reicht gerade aus, um über die Runden zu kommen. Das ist das Ergebnis des aktuellen Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer Oberösterreich (AKOÖ), welches vierteljährlich von IFES und SORA erhoben wird. Daniel Schönherr von SORA weiß, dass die Schere zwischen realer Arbeitszeit und damit einhergehendem Lohn immer weiter auseinandergeht:
„Wir haben uns heute vor allem mit der Frage beschäftigt, wie es den Beschäftigten in Österreich mit den Einkommen geht, wie gut können sie davon leben. Und was wir sehen ist, dass 7 Prozent der Beschäftigten in Österreich nicht von ihrem Einkommen alleine leben können. Das ist ein Anteil, der über die Zeit relativ stabil ist. Das sind aber fast 300.000 Menschen in Österreich, auf die das zutrifft. Eine Gruppe, die aber wächst in den letzten 10 Jahren, das sind vor allem die Leute, welche sagen, sie können von ihrem Einkommen nur noch knapp leben und sie kommen nur knapp damit über die Runden. Das zeigt schon, dass der Druck auf die Menschen in Österreich immer stärker wird. Einerseits produktiv zu sein, viel zu arbeiten aber andererseits dann doch zu wenig zu verdienen, um damit gut über die Runden zu kommen.“
Nach einem gravierenden Einbruch im Frühjahr hat sich der Arbeitsklima-Index wieder nahe beim Durchschnittswert der letzten 20 Jahre eingependelt. Wie schnell jedoch die Stimmung auf dem Arbeitsmarkt kippen kann, zeigt ein Blick auf das Frühjahr 2019: Nicht zuletzt die Diskussionen rund um die Einführung des 12-Stunden-Tages führten bei vielen Beschäftigten zu Verunsicherung und bei manchen zu einem plötzlichen Anstieg der Arbeitszeitbelastungen. Sozialforscher Dr. Reinhard Raml, von IFES:
„Ein zweiter sehr spannender Punkt in unserer heutigen Auswertung ist, dass wir gesehen haben, dass in den letzten 20 Jahren die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit deutlich abgenommen hat. Ausgehend vom Jahr 2000, wo weit über 80 Prozent der Menschen mit ihrer Arbeitszeit zufrieden waren ist es auf deutlich unter 80 Punkte gestiegen, also von 83 auf 75 Prozent Zufriedene. Und wir sehen, dass das vor allem ausgelöst wurde durch die Wirtschaftskrise im Jahr 2008. Also da ist es nachhaltig zu einem veränderten Umgang mit Arbeitszeit gekommen. Die Zufriedenheit mit Arbeitszeit ist seither wesentlich geringer als davor, was wir darauf zurückführen, dass eben Menschen immer flexibler sein müssen. Immer unterschiedlichere Modelle von Arbeitszeit vorfinden. Und eine gewisse Rolle spielt natürlich auch der 12-Stunden-Arbeitstag, wo wir eben sehen, dass dieser die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit massiv einschränkt. Und auch das Ausüben von Überstünden einen sehr negativen Effekt auf die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit hat.“
Auch der Arbeitsklima-Index zur Situation der Pendler zeichnet laut der AK-Oberösterreich kein positives Bild. Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten ist in einer anderen Gemeinde desselben Bundeslandes (48 Prozent), in einem anderen Bundesland (sechs Prozent) oder sogar außerhalb Österreich (ein Prozent) berufstätig. Damit hat sich das Verhältnis zwischen PendlerInnen und Personen, die im Wohnort arbeiten, innerhalb eines Jahrzehnts umgedreht: 2009 arbeiteten noch 55 Prozent in der eigenen Wohngemeinde, „nur“ 45 Prozent mussten zum Arbeitsplatz pendeln, was auf Kosten von Familie und Freizeit geht, wie Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, erläutert:
„Das Thema Pendeln wird zunehmend für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig. Wir haben in den letzten 10 Jahren wiederum ein Steigen der Pendler feststellen müssen. Die Menschen brauchen immer mehr und längere Wege zur Arbeit. Das hat verschiedene Gründe: vor Ort in den Wohngemeinden gibt es zu wenig Angebot, die attraktiven Arbeitsplätze sind meist in den Ballungsräumen und damit auch die Möglichkeit ein höheres Einkommen zu erzielen. Wenn man das verändern will – vor allem verändern will, dass bis zu 90 Prozent und noch mehr jeden Tag das Auto benutzen müssen – dann muss man an mehreren Stellen Veränderungen ansetzen. Zum einen beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs, dort wo man wirklich attraktive Angebote auch kurzfristig zustande bringt. Das ist vor allem in den Zentralräumen. Dann eben braucht es auch mehr Arbeitsplätze vor Ort. Da bin ich optimistisch, dass die Digitalisierung ein zusätzliches Instrument ist, Arbeit näher an die Menschen zu bringen. Und ein dritter Punkt, der mir wesentlich ist: auch Betriebe können etwas dazu beitragen, wenn sie ihre Arbeitszeitmodelle auch daraufhin überprüfen, ob sie nicht vielleicht sogar die Menschen zwingen, das Auto zu benutzen. Faktum ist aber, dass Pendeln vor allem wenn man längere Zeit unterwegs ist, die Arbeitszufriedenheit, vor allem die Zufriedenheit mit Vereinbarkeit von Beruf und Familie drückt und natürlich auch eine finanzielle Belastung ist.“
Der Arbeitsklima-Index misst seit 20 Jahren die Arbeitszufriedenheit der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dafür werden jedes Jahr 4000 Interviews geführt, wodurch eine Beobachtung der Stimmungslage über einen langen Zeitraum möglich ist. Die jetzt erhobene Unzufriedenheit mit dem Einkommen wirkt sich laut Kalliauer auch auf das Selbstbewusstsein der ArbeitnehmerInnen aus:
„Die Menschen empfinden das als einen geringen Stellenwert in der Gesellschaft und in Wahrheit ist es respektlos. Den Menschen gegenüber, die ihre Arbeit leisten und womöglich Vollzeit arbeiten und weniger als 1500 Euro im Monat brutto bekommen. Das ist verständlich, dass es hier eine hohe Auffälligkeit und Unzufriedenheit gibt. Daher die Forderung nach einem raschen Mindesteinkommen für alle von mindestens 1700 Euro. Das zeigt, dass es eine berechtigte Forderung ist und jeder Tag und jedes Monat, dass man dabei verliert, ist für die Betroffenen ein verlorenes Monat.“