27.März, 2019

Immer mehr Menschen leiden an Einsamkeit

Die Folge können massive gesundheitliche Probleme sein

Zwischen acht und 55 Prozent der EU-Bevölkerung sind von Einsamkeit bedroht. Im Nord-Westen Europas sind dabei tendenziell weniger Menschen betroffen als in den osteuropäischen Staaten. Parallel zu dieser steigenden Zahl an Einsamkeit leidenden Menschen, hat der Rechnungshof unlängst einen Bericht über zahlreiche Mängel in der Versorgung psychsich kranker Menschen in Österreich veröffentlicht. Die Kritik darin richtet sich vor allem gegen die hohen Folgekosten, welche durch die unzureichende Behandlung für das Gesundheitsystem entstehen. So bekommt etwa Einsamkeit als psychische Erkrankung viel zu wenig Aufmerksamkeit in der öffentlichen Versorgung, kritisiert der Dachverband von psychoszozialen und sozialpsychiatrischen Institutionen pro mente. Die Hauptfolgeerscheinung von langfristiger Einsamkeit etwa ist chronischer Stress. Dieser bewirkt wiederum einen krankmachenden Effekt. Dass Einsamkeit schwere gesundheitliche Folgen mit sich bringen kann, ist wissenschaftlich eindeutig beleget. Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria, sagt diesbezüglich:


Dr. Günter Klug
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„Einsamkeit ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes. Das ist wie Hunger und Durst. Wenn ich Hunger oder Durst habe, dann weiß ich, ich sollte etwas essen, weil wenn ich das länger nicht tue, werde ich zumindest abnehmen oder verdursten. Einsamkeit ist eben eigentlich nur ein Warnsignal, das mir sagt ich muss jetzt etwas für meine Kommunikation, für meine Beziehung, für mein Wohlbefinden machen. Wenn ich das dann mache löst sich dieses Gefühl wieder auf. Das heißt es macht kurzfristigen Stress, verändert ein bisschen Etwas an der inneren Hormonsituation und wenn ich es dann löse, dann springt das Belohnungssystem an und ich fühle mich wohl. Wenn ich es aber langfristig nicht lösen kann, dann habe ich das Problem, dass ich wirklich in eine chronische Stressreaktion hineinrutsche und die hat sehr massive Folgen. Sie hat sehr massive körperliche Folgen, weil sie mit einer Cortisolausschüttung verbunden ist. Cortisol ist Cortison ähnlich, es senkt die Immunarbeit des Körpers. Diese Immunabwehr ist natürlich wichtig. Das heißt, wenn die Immunabwehr heruntergeht, steigt die Krebsrate, steigt die Infektionsrate. Es verändert sich der Stoffwechsel. Der Diabetes steigt an. Herzkreislauferkrankungen steigen an. Das geht quer über alle Gebiete drüber. Es sinkt auch die Libido und die Potenz bis dahin, dass Alzheimer vielleicht früher kommt. Also hier geht es nicht um Husten oder Schnupfen, sondern um massive Belastungen, die von der Gefährlichkeit her ganz locker auf dem Niveau von Nikotin-, Alkohol- und Drogenkonsum liegen. Das heißt, man erhöht die Wahrscheinlichkeit zu sterben auf das Zwei- bis Dreifache.“

Von Einsamkeit besonders betroffen, sind Menschen die bereits psychisch erkrankt sind, sowie alte Menschen und Jugendliche. Ebenso haben Männer ein höheres Risiko in Einsamkeit zu verfallen als Frauen. Was die Ursachen von Einsamkeit betrifft, wurde festgesellt das vor allem Menschen die in Großstädten leben auf Grund der dort herrschenden Anonymität stärker betroffen sind. Verstärkt werden diese Effekte durch den Trend zur späteren Eheschließung, der späteren Geburt von Kindern, geringer Geburtenraten und der daraus entstehenden höheren Zahl an Einzelhaushalten. Neben dem Leben in der Großstadt ist eine der Hauptursachen von Einsamkeit bei jungen Menschen aber vor allem die starke Nutzung sozialer Medien, sagt Dr. Klug:


Dr. Günter Klug
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„Die massive Nutzung der so genannten sozialen Medien verstärkt auf der einen Seite die Einsamkeit, auf der anderen Seite greifen Menschen die einsam sind natürlich auch eher zu diesen Medien und so entwickelt sich hier ein bisschen ein Teufelskreis, wo wir feststellen, dass der Rückzug immer massiver wird. Wir müssen feststellen, dass die persönlichen Kontakte mit anderen Personen, mit Freunden und Fremden einfach weniger werden. Es gibt Untersuchungen, dass acht- bis 12-jährige zwei Stunden am Tag im direkten Kontakt mit anderen Menschen sind, aber bis zu sieben Stunden vor einem Bildschirmmedium. Da verschieben sich momentan Gewohnheiten ganz massiv und die Zahl der realen Freunde und den sogenannten Freunden im Netz klafft natürlich immer stärker auseinander. Wenn man sich die Generationen so anschaut, dann merkt man den Unterschied. Die erste Generation die damit massiv konfrontiert wurde, ist zwischen 1985 und 2000 geboren und da merkt man schon das es Auswirkungen hat auf die Konzentration, aber auch auf Werte und Haltungen. Das heißt, es verändert schon auch ein bisschen das Tun im Alltag. Dann gibt es die Millenniums-Generation, also die die ab 2000 geboren sind. Bei dieser ist das noch einmal stärker. Das ist sozusagen die ,Look at me‘-Generation.“

Neben hohen Folgekosten, kreidet der Rechnungshof auch den Mangel individueller Behandlung an. Betreffend die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Einsamkeit in Österreich, schließt Pro mente sich daher den Forderungen des Rechnungshofes an die Politik an. MMag. Gernot Koren, Vizepräsident von pro mente Austria sagt diesbezüglich:


MMag. Gernot Koren MAS
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„Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene bedarf es zur psychischen Gesundheit mehr Aufmerksamkeit in den Strukturplänen, in den Strategiepapieren und wir brauchen auch noch genauer Daten über Krankheitsverläufe, über sinnvolle Interventionsketten und wirkungsvolle Behandlungsverläufe. Das ist der eine Teil der Versorgung der uns österreichweit in der Planung beschäftigt. Ein zweiter sehr wichtiger Punkt, der vom Rechnungshof angesprochen wurde und den wir auch sehr unterstützen, ist das Thema Psychotherapie auf Krankenschein. Es ist eigentlich nicht nachvollziehbar warum es für die Psyche hier nicht diesen Anspruch auf Behandlung gibt. Es bedeutet schlichtweg auch eine Diskriminierung von Menschen mit psychischen Problemen und es könnte hier sehr viel abgefedert werden. Zur Prävention: Wir wissen, dass wenn man frühzeitig interveniert, wenn an Menschen rechtzeitig hilft, chronische Verläufe sich anhalten lassen. Diese Hilfe muss aber rasch, unbürokratisch und kostenlos erfolgen. Wir reden im Kontext von Menschen mit psychischen Erkrankungen, vor allem bei chronischen Erkrankungen, von tendenziell auch armen Menschen, also von Menschen die nicht sehr viel Vermögen besitzen und gerade in diesem Kontext wäre Prävention ganz ganz wichtig.“

Am 28 März findet in Graz die jährliche Fachtagung von pro mente Austria unter dem Titel „Psychische Gesundheit in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels“ statt. Hauptthema dieses Jahr ist der starke Anstieg von Einsamkeit.

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BILDER

v.l.n.r.: Dr. Günter Klug, MMag. Gernot Koren

MMag. Gernot Koren

Dr. Günter Klug

v.l.n.r.: Dr. Günter Klug, MMag. Gernot Koren

O-TÖNE

Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria

"Welche weiteren Folgen hat die Nutzung von sozialen Medien auf die Selbstwahrnehmung?"

MMag. Gernot Koren, Vizepräsident von pro mente Austria

"Welche Bedenken haben Sie gegenüber der neuen Sozialhilfe?"

MMag. Gernot Koren, Vizepräsident von pro mente Austria

"Welche positive Aspekte finden Sie im neuen Sozialhilfegesetz der Regierung?"

MMag. Gernot Koren, Vizepräsident von pro mente Austria

"Welche Forderungen stellen Sie?"

Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria

"Wie wirkt sich die Nutzung sozialer Medien auf die Einsamkeit aus?"

Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria

"Welche Gruppen sind von Einsamkeit besonders betroffen?"

Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria

"Was sind die Ursachen vermehrter Einsamkeit?"

Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria

"Welche gesundheitlichen Folgen bringt langfristige Einsamkeit mit sich?"

Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria

"Wie viele Menschen sind in Europa von Einsamkeit betroffen?"

DATEIEN

ocx

Presseaussendung pro mente

Zeitphänomen Einsamkeit: Warum sie uns krankmacht – Lücken in der psychiatrischen Versorgung schließen – Mögliche Auswirkungen des geplanten Sozialhilfe-Grundsatzgesetz auf Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

ocx

Pressestatement Dr. Klug

Das gesamte Pressestatement von Dr. Günter Klug zum nachlesen

ocx

Pressestatement MMag. Koren

Das gesamte Pressestatement von MMag. Gernot Koren zum nachlesen

TWITTER KURZINFO

55% der EU-Bevölkerung sind von Einsamkeit betroffen. Die Folge kann langfristiger, chronischer Stress sein mit krankmachenden Effekten. pro mente Austria über die psychische Gesundheit in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels. Infos und multimediale Inhalte auf #dieganze.info

Gesprächspartner

Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria

MMag. Gernot Koren MAS, Vizepräsident von pro mente Austria

WAS INTERESSIERT SIE?

Die Fragerunde ist beendet.

Lena Podirsky

Jeder fühlt sich gelegentlich einsam. Wie erkennt man, dass man ein Problem damit hat?

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Sunny Day

Was sind die Top-Tipps im Umgang mit Einsamkeit?

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Tamara Margareta

Was kann die Gesellschaft leisten, um die Zahl von chronisch einsamen Menschen zu reduzieren?

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Quelle

pro mente Austria

Mag. Sandra Grünberger 
Leitung Bundessekretariat & Öffentlichkeitsarbeit 

Johann-Konrad-Vogel-Strasse 13
A-4020 Linz

Tel.: +43 (732) 785397 

E-Mail: office [at] promenteaustria.at

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