Arbeitsklimaindex 2019 zeigt
Acht von zehn Teilzeitstellen werden von Frauen besetzt
Fast 1,1 Millionen Menschen waren im Jahr 2018 in Österreich teilzeitbeschäftigt, davon rund 885.000 Frauen. Darüber informieren die aktuellen Statistiken des österreichischen Arbeitsklima Index. Der österreichische Arbeitsklima Index misst und beschreibt seit 22 Jahren die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen aus Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Die Berechnung des Arbeitsklima Index beruht auf vierteljährlichen Umfragen unter österreichischen Arbeitnehmern. Die Stichproben von rund 4000 Befragten pro Jahr sollen Aufschluss auf die Befindlichkeit aller Arbeitnehmer geben. Dieses Quartal wurden Sonderauswertungen zu den Themen Teilzeitarbeit und Geschlechter-Differenzen im Berufsleben vorgenommen. Momentan ist ein auffällig weiblich dominierter Anstieg an Teilzeiterwerbstätigen zu beobachten. Reinhard Raml, IFES Projektleiter, über den aktuellen Anteil an Teilzeitangestellten am Arbeitsmarkt:
„Der Anteil an Personen in Teilzeit hat in den letzten Jahren zugenommen, aktuell sind es ungefähr 1,1 Millionen Menschen, die in Teilzeit beschäftigt sind, das sind genau genommen 29 Prozent aller unselbstständig Beschäftigten. Und die Arbeitszeit, das sieht man auch, wenn man sich diese Statistiken anschaut, ist jener Faktor, der im Arbeitsmarkt besonders ungleich zwischen Frauen und Männern verteilt ist. also das ist neben dem Einkommen, das natürlich mit der Arbeitszeit zusammenhängt, weil fast jede zweite Frau Teilzeit arbeitet aber nur jeder zehnte Mann.“
Acht von zehn Teilzeitjobs in Österreich sind in Frauenhand. Teilzeitkräfte schätzen die bessere Zeiteinteilung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, was dieses Arbeitsmodell besonders für Frauen und Mütter attraktiv macht. Männer hingegen sind vorrangig in Vollzeit angestellt. Reinhard Raml belegt diese signifikante Differenz anhand einer aktuellen Statistik:
„Wenn man sich die Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren ansieht, dann sieht man, dass heute, im Vergleich zu 2004, 340.000 Frauen mehr im Erwerbsleben stehen. Die Bevölkerung wächst, der Arbeitsmarkt wächst von den Personen her. Wenn man sich dann aber anschaut: Wo steigt es an, bei Teilzeit oder bei Vollzeitbeschäftigten? Dann sieht man, dass heute 300.000 Frauen von diesen 340.000 mehr in der Teilzeit sind und nur 40.000 in einer Vollzeit-Beschäftigung. Das heißt der Zuwachs an Frauen am Arbeitsmarkt ist ausschließlich in der Teilzeitbeschäftigung zu finden. Die Statistik bei den Männern ist auch interessant. Der Zuwachs beträgt 240.000 Personen, ist natürlich geringer, weil die Erwerbsquote bei den Männern schon eher gesättigt ist. Da ist auch interessant, dass die Hälfte davon quasi einen Teilzeitjob gefunden hat. Das heißt 120.000 in Teilzeit und 120.000 in Vollzeit. Das heißt auch bei den Männern ist ein starker Zug zur Teilzeit feststellbar, das heißt der Arbeitsmarkt wächst sehr stark in der Teilzeit. Wenn aber Vollzeit-Stellen entstehen, dann werden sie fast ausschließlich von Männern besetzt.“
Die typische Teilzeitbeschäftigte ist zwischen 35 und 44 Jahre alt, hat eine berufsbildende mittlere Schule absolviert, zwei bis drei Kinder zur Welt gebracht und arbeitet als Angestellte im Gesundheits- und Sozialbereich. Im Schnitt machen Teilzeitkräfte weniger Überstunden, sind zufriedener mit ihren Arbeitszeiten und leiden unter weniger Zeitdruck als Vollzeitkräfte. Dennoch überwiegen oft die Nachteile des Teilzeit-Modells. Reinhard Raml über negative Aspekte von Teilzeitbeschäftigung:
„Wenn wir uns die Zufriedenheit der Beschäftigten in Teilzeit anschauen, sehen wir einfach dass da die Einkommenszufriedenheit deutlich geringer ist als bei den Vollzeitbeschäftigten. Im Arbeitsklima Index haben wir auch als sehr werthaltige Frage drin, ob das Einkommen zum Leben ausreicht. Wir sehen dass bei der Teilzeitbeschäftigung zwei von drei Personen, und das sind ja fast nur Frauen, sagen: Das Einkommen reicht nur sehr knapp bis gar nicht. Das was ich verdiene, reicht zum Leben eigentlich nicht. Und damit sehen wir, wie groß die Abhängigkeit dieser Frauen ist. Wir sehen auf der anderen Seite ist der Anteil der Vollzeitbeschäftigten, wo das Einkommen gerade einmal die Lebenshaltungskosten abdeckt, bei 44 Prozent, das ist auch hoch, aber wir sehen einfach dass es bei Teilzeitbeschäftigung sehr hoch ist.“
Johann Kalliauer ist Präsident der AK Oberösterreich und bewertet Teilzeitbeschäftigung als probates Mittel, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Eine Reduktion der Arbeitszeit sei eine gute Lösung, um etwa mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können. Auf der anderen Seite kritisiert er den Mangel an angebotenen Vollzeitstellen im Handel und die generell schlechte Bezahlung von Teilzeitstellen. Zusammenfassend bewertet er den aktuellen Arbeitsklima Index als Signal, das Arbeitszeitmodell in Österreich zu überdenken:
„Unserer Einschätzung nach zeigt der Arbeitsklima Index, also die subjektive Seite neben den statistischen Zahlen deutlich, dass das Thema Arbeitszeit ein zentrales Thema ist. Das heißt nicht nur in der Frage Vollzeit/Teilzeit sondern generell. Und ich glaube es ist eine wertvolle Informationen auch für Unternehmen, das Thema Arbeitszeit nicht nur aus dem ökonomischen- und Auslastungs-Aspekt zu sehen, sondern längerfristig gesehen auch zu überlegen, welche Arbeitszeitmodelle sind für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv. Man sollte nicht wegwischen, dass es auf der einen Seite einen großen Teil an Teilzeitbeschäftigten gibt, die länger arbeiten möchte und auf der anderen Seite immer wieder uns signalisiert wird: zu lange Arbeitszeiten wollen wir nicht. Jene die regelmäßig Überstunden leisten, formulieren ganz klar eine Reduzierung. Ich glaube daher, dass das politische Signal, auszuweiten auf 12 und 60 Stunden, jetzt rein als Signal das falsche Signal ist und auch nicht das richtige Rezept ist, um hier wirklich eine vernünftige Basis für ein Arbeitsumfeld zu haben.“
Das Arbeitsleben wandelt sich auch in Bezug auf Ausbildungen. Akademische Abschlüsse werden beliebter und immer weniger Unternehmen bilden junge Menschen zu Fachkräften aus. Mittlerweile gibt es hierzulande mehr als 3,5 Mal mehr Studierende als Lehrlinge. Daniel Schönherr über die statistische Entwicklung von Lehrlingen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt:
„Im Österreichischen Arbeitsmarkt sind es 1,4 Millionen Menschen, die eine Lehrer fertig absolviert haben. Zwei Drittel davon sind Männer, ein Drittel sind Frauen. Mehr als 200.000 davon sind schon über 55 Jahre alt, das heißt die gehen in den nächsten zehn Jahren vermutlich in Pension. Wenn man sich das andere Ende anschaut, nämlich wer kommt neu auf den Arbeitsmarkt mit Lehrabschluss, dann ist die Zahl an Lehrlingen in den letzten 10-15 Jahren deutlich gesunken. Den Höchststand an Lehrlingen hatten wir in Österreich in den 80er Jahren, da gab es knapp 200.000 Lehrlinge. Bis in die 90er Jahre hinein ist die Anzahl auf 120.000 gesunken, aktuell, bzw. 2018, befanden sich dann 110.000 junge Menschen in einer Lehre.“
Im Vergleich mit Personen mit maximal Pflichtschulabschluss sind Lehrabsolventen in allen Subdimensionen des Arbeitsklima-Index zufriedener. Bei den Karrierechancen um 14 Punkte, beim Einkommen und der allgemeinen Berufszufriedenheit und bei den eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt jeweils um 12 Punkte. Doch auch in der Gruppe der Arbeitnehmer mit absolvierter Lehre sind deutliche Einkommensunterschiede zwischen Männer und Frauen messbar. Daniel Schönherr vergleicht die Zufriedenheit von Männern und Frauen mit Lehrabschluss im Arbeitsleben:
„Auch in der Gruppe der Beschäftigten mit Lehrabschluss zeigen sich die Geschlechter-Unterschiede in Punkto Einkommen dann doch relativ deutlich. Es sind zum Beispiel 69 Prozent der Männer mit Lehrabschluss mit ihrem Einkommen zufrieden, aber nur 60 Prozent der Frauen. Und während mehr als die Hälfte der Männer mit Lehrabschluss sagt, sie kommen gut bis sehr gut sogar mit ihrem Einkommen aus, sagt umgekehrt mehr als die Hälfte der Frauen mit Lehrabschluss, dass bei ihnen das Einkommen nur knapp oder gar nicht ausreicht. Was aber auch spannend ist, dass die Arbeitszufriedenheit in den anderen Dimensionen, also unabhängig vom Einkommen, sich weniger stark unterscheidet zwischen Männern und Frauen. Beide, sowohl Männer als auch Frauen mit Lehrabschluss, sind zum Beispiel zu drei Vierteln mit ihrer Arbeitszeit durchaus zufrieden. Und beide, sowohl Männer als auch Frauen sind zu zwei Dritteln mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten zufrieden. Und wenn es um den Führungsstil geht im Unternehmen, sind Frauen mit Lehrabschluss sogar um drei Prozentpunkte zufriedener als die Männer mit Lehrabschluss.“
Aktuelle Ergebnisse und Hintergrundinformationen finden Sie unter ooe.arbeiterkammer.at/arbeitsklima. Dort kann die Arbeitsklima-Datenbank für Auswertungen eingesehen werden und der persönliche Zufriedenheits- Index am Arbeitsplatz berechnet werden.